ALLE THEMEN AUF EINEN BLICK

Auf den Spuren der Exilanten gestern und heute

Zahlreiche deutsche, österreichische und französische Künstler und Intellektuelle versuchten nach Ausbruch des 2. Weltkriegs aus Frankreich zu emigrieren und strandeten auf ihrer Flucht in Marseille. Auf einem Rundgang in 10 Etappen folgen Sie der Autorin Sabine Günther – Herzasthma des Exils. Eine literarische Spurensuche in Marseille – durch die Stadt, die in den Jahren 1940 – 42 für so berühmte Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle wie Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel, Anna Seghers, Siegfried Krakauer, Walter Benjamin, André Breton, Max Ernst und Claude Lévi-Strauss zu einem schicksalhaften Ort wurde. Viele von ihnen verdankten ihr Entkommen aus Vichy-Frankreich der Unterstützung durch das American Rescue Committee unter Leitung von Varian Fry. Wir erzählen diese Geschichte der Flucht aus Europa in einer mediterranen Hafenstadt, die seit jeher Migranten und Exilanten empfängt und in ihrer 2600-jährigen Geschichte zu einem quicklebendigen Meltingpot der Kulturen wurde.

Capitaine-Paul-Lemerle
Mit dem Schiff Capitaine Paul Lemerle reisten Ende März 1941 u.a. Anna Seghers und ihre Familie, André Breton, Victor Serge, André Masson und Claude Lévi-Strauss aus.

“Alle Schiffe waren voll gebucht. Es hieß, Deutschland würde nach dem ersten Juni kein Schiff mehr rauslassen, da England sie auf offenem Meer kaperte und zu Truppentransporten gebrauchte. Der Handel mit Schiffahrtskarten lag gänzlich in den Händen der Unterwelt von Marseille. Unmöglichkeiten türmten sich auf Unmöglichkeiten. Jetzt wurden auch hier Gestaporazzias gehalten, Menschenjagden in abgesperrten Straßen. Hotels wurden morgens um fünf durchsucht. Jeder lebte in Todesangst.” (Erwin Blumenfeld, emigrierte 1941 von Marseille aus in die USA)

 

 

 

     

Deutsche Reisende und Marseilleliebhaber

Deutsche Künstler und Intellektuelle finden Marseille seit jeher attraktiv, geheimnisvoll und spannend. Seit 200 Jahren kommen sie, neugierig auf das Besondere, in die Hafenstadt, und schreiben über sie. Auf den Spuren von Arthur Schopenhauer, Heinrich Heine, Ernst Jünger, Erika und Klaus Mann, Joseph Roth, Christa Wolf und vieler anderer. Ein Rundgang zu diesem Thema um den Alten Hafen herum, auf die Canebière und ins Panierviertel hinein macht Sie mit den Essentials bekannt und lässt Sie Marseille mit den Augen der Künstler sehen, die diese aufregende Naturschönheit, in der das Leben nur so brodelt, vor Ihnen entdeckten.

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Rue Beauvau mit der Oper im Hintergrund

“Ich bin davon überzeugt, dass Marseille die schönste Stadt Frankreichs ist! Sie ist so anders als die anderen Städte! Ich finde, dass Marseille große Ähnlichkeit mit London hat.” (Arthur Schopenhauer, 1804)

       

 

 

 

 

Dem Rausch auf der Spur: Walter Benjamin

Der deutsche Philosophenkünstler kam, bevor er im September 1940 auf der Flucht vor den Nazis von Marseille aus an die französisch-spanische Grenze fuhr und sich dort verzweifelt das Leben nahm, bereits in den 20er Jahren mehrmals nach Marseille.  Hier experimentierte er mit Drogen und deren Einfluss auf die Stadt-Wahrnehmung, woraus einige der schönsten Texte hervorgingen, die jemals über Marseille geschrieben wurden.

Beatrice“Ich strich am Kai entlang und las einen nach dem anderen die Namen der Boote, die dort festgemacht waren. Dabei überkam mich eine unbegreifliche Fröhlichkeit, und ich lächelte der Reihe nach allen Vornamen Frankreichs ins Gesicht.” (Walter Benjamin, 1928, Haschisch in Marseille).

Im September 1940 scheiterte Benjamins Versuch, über die Pyrenäen illegal nach Spanien zu gelangen. Er brachte sich in der französischen Grenzstadt Port-Bou um.  

 

Skandalös: Antonin Artaud

Arthur Rimbaud starb 1891 in Marseille, Antonin Artaud wurde hier fünf Jahre später geboren. Der berühmte Dichter, Schauspieler und Theatertheoretiker verbrachte seine Kindheit und Jugend in der Hafenstadt und erhielt in Marseille wesentliche Prägungen. Wir spazieren im Quartier de la Blancarde zu den verschiedenen Wohnadressen der Familie Artaud und laufen bis zur Kirche Les Réformés, wo Artaud einst Schreckliches widerfuhr.

Grabstätte der Familie Artaud in Marseille, auf dem Friedhof St. Pierre
Grabstätte der Familie Artaud in Marseille, auf dem Friedhof St. Pierre

“Ich bin 1915 in Marseille auf dem Cours Devilliers, vor der Kirche Les Réformés, mit einem Messer im Rücken ermordet worden, was die Narbe auf meinem Rücken bezeugt. Ich fiel tot um und stand sofort wieder auf, aber nicht als derselbe, denn  im Augenblick des Todes war mir meine Seele abhanden gekommen, was mich seitdem dazu zwang, mir eine neue zu erschaffen.” (Antonin Artaud, 1945, Briefe aus Rodez)

    

 

 

 

Das Tor zum Orient. Sehnsuchtsort der Romantiker

Ein literarischer Spaziergang durch die „Ville neuve“ bis zur Kirche Saint Victor. In der ersten Hälfte des 19. Jh’s war Marseille der Ort, von dem die französischen Romantiker zu ihrer obligaten Orientreise aufbrachen. Wenn sie dann aber haschischumnebelt im Café Turc saßen, fühlten sie sich auf der Canebière eigentlich schon im Orient angekommen.  Auf den Spuren von Stendhal, George Sand, Théophile Gautier, Gustave Flaubert, Gérard de Nerval, Arthur Schopenhauer und Moritz Hartmann.

Die Kathedrale Grand Major im mauresken Stil im Hafenviertel La Joliette
Die Kathedrale Grand Major im mauresken Stil im Hafenviertel La Joliette

“Auf den mit ansehnlichen Häusern umgebenen Quais herrscht das mannigfaltigste Leben, wie auf dem Wasser daneben; alle europäischen Nationen versammeln sich hier neben den Bewohnern von Asien und Afrika; alle Sprachen ertönen, und die mannigfaltigsten Trachten und Nationalphysiognomien aller gebildeten Völker sieht man vielleicht nirgends so auf einem Punkt vereint.” (Johanna Schopenhauer, Die Reise durch Frankreich 1804)

 

 

 

Marseille – Berühmte Frauen und Feministinnen

Künstlerinnen wie George Sand, Flora Tristan, Louise Michel, Simone Weil, Anna Seghers und Simone de Beauvoir gingen mit scharfer Feder in der Hafenstadt auf Entdeckungstour. Eine kleine Geschichte der weiblichen Emanzipation in Marseille, die wir in der Renaissance mit einer Waffenhändlerin beginnen lassen.

“Es gibt in meinem ganzen Leben keinen Augenblick, den ich entscheidend nennen könnte. Rückblickend haben manche jedoch einen so bedeutenden Sinn gewonnen, dass sie in der Vergangenheit mit dem Glanz großer Ereignnisse aufleuchten. Ich erinnere mich an die Ankunft in Marseille, als hätte sie einen absoluten Wendepunkt in meiner Lebensgeschichte bezeichnet.” (Simone de Beauvoir, In den besten Jahren)

Sanary-sur-Mer, literarische Exilhauptstadt

Zwischen 1930 und 1941 wohnten in dem kleinen Hafenstädtchen an der Côte dʻAzur so berühmte Schriftsteller und Intellektuelle wie Lion Feuchtwanger, die Familie Mann, Franz und Alma-Mahler Werfel, René Schickele, Franz Hessel, Friedrich Wolf u.v.a. Auf den Spuren eines besonders aufregenden Kapitels in der Geschichte der Exil-Literatur. Der Rundgang verläuft in 10 Etappen in der Altstadt, am Hafen und auf dem hochgelegenen Wanderweg, an dem die Häuser der Manns und Werfels lagen. Der Rundgang ist diesmal eine Schnitzeljagd; die 10 Orte müssen anhand einer Wegbeschreibung von der Gruppe selbst gefunden werden. Keine Bange, Sie werden sich nicht verirren, sondern, im Gegenteil, viel Spaß haben! Für eine Gruppe junger Leute empfehlen wir den zusätzlichen Einsatz einer von uns bereitgestellten Videokamera, mit der die Schnitzeljagd und die biografischen Informationen vor jeder der 10 Haltestellen aufgezeichnet wird.

Die Erinnerungstafel am Office du tourisme in Sanary-sur-Mer
Die Erinnerungstafel am Office du tourisme in Sanary-sur-Mer

“Im Exil wird das Café zu Haus und Heimat, Kirche und Parlament, Wüste und Walstatt, zur Wiege der Illusionen und zum Friedhof. Das Exil macht einsam und tötet. Freilich belebt es auch und erneuert. Im Exil wird das Café zum einzigen kontinuierlichen Ort. Ich saß in einem Dutzend Exilländern im Café und es war immer dasselbe Café, am Meer, zwischen Bergen, in London, in Paris, an den Grachten von Amsterdam, zwischen den Klöstern von Brügge. Ich saß im Kaffeehaus des Exils und schrieb.” (Hermann Kesten)

 

 

 

Aix-en-Provence – Paul Cézanne und Émile Zola

Paul Cézanne, der berühmteste Sohn dieser wunderschönen, ganz auf den eigenen Nabel konzentrierten südfranzösischen Stadt, galt seinen Zeitgenossen als Spinner. Während der Schulzeit in Aix-en-Provence freundete sich Cézanne mit Emile Zola, dem Sohn eines italienischen Ingenieurs, an und folgte ihm nach Paris.  Ein antikultischer Stadtrundgang für bedingungslose Cézanne-Verehrer.

Das Foto von Cézanne vor seinem Atelierhaus wurde 1906 von Gertrude Osthaus gemacht.
Das Foto von Cézanne vor seinem Atelierhaus wurde 1906 von Gertrude Osthaus gemacht.

“Die Farbe ist der Ort, wo unser Gehirn und das Weltall sich begegnen. Darum erscheint sie den wahren Malern durchaus dramatisch. Schauen Sie die Sainte-Victoire an. Welcher Schwung, welcher gebieterische Durst nach Sonne und welche Melancholie am Abend, wenn diese ganze Schwere sich darauf senkt.” (Paul Cézanne im Gespräch mit Joachim Gasquet, um 1900)

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